Die meisten Scrum Master kommen aus dem Engineering. Selbstironisch charakterisiert R.C. Martins (2011) die Vorlieben der Entwickler mit: „Wir lieben es, uns in trockene Details zu vertiefen und mit vielen Ideen gleichzeitig zu jonglieren, … ohne dabei mit der chaotischen Kompexität anderer Menschen interagieren zu müssen“ (eig. Übersetzung).

Die Moderatorenrolle ist für viele Entwickler zunächst ungewohnt. Konflikte werden in Entwicklerteams eher unter den Teppich gekehrt –  man will ja niemanden verletzen. Klare Worte werden vermieden. Die Erfahrungen mit der alten ‚command and control‘ Kultur haben gelehrt, dass sie eh nichts bringen. So entstehen Tabus. Und am Ende ist die Zusammenarbeit von Mindsets geprägt, die im Widerspruch zur Moderatorenfunktion des Scrum Masters oder des agilen Coaches stehen. In diesem BLOG will ich ein paar Aspekte kurz skizzieren, die Ihnen helfen, die Moderatorenrolle professionell auszuführen.

Fragt man Scrum Master, was sie tun, kommt schnell die Antwort: „Ich leite die Scrum Events“:
Den SPRINT, das DAILY SCRUM, die SPRINTPLANUNG, das SPRINT REVIEW, die RETROSPRKTIVE, etc. .

Diese Sicht greift zu kurz. Das „Agile Manifest“ (Beck u.a. 2001) fordert im 5. Prinzip:
Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.

  • Der Scrum Master als Moderator focussiert also die Motivation, er stellt Rahmenbedingungen zur Verfügung und bietet nicht mehr aber auch nicht weniger als nur Unterstützung Und das in einer von Vertrauen geprägten Kultur der Zusammenarbeit.

Im 12. Prinzip des „Agilen Manifests“ heißt es:
In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an.

  • Der Scrum Master als Moderator focussiert also die Zusammenarbeit, spricht die Gruppendynamik im Team an und erforscht mit den Kollegen, welches Verhalten effizient, angemessen oder unangemessen ist.

Vielleicht die entscheidende Leistung der Moderation ist es demzufolge, die Kollegen/innen in den agilen Teams von einem technischen Problemverständnis zu einem sozialen Verständnis der Themen zu bewegen.

Die Moderationskompetenz wächst mit der Klärung folgender Fragen:

  1. Was sind konstruktive Mindsets und Haltungen in der Moderatorenrolle?
  2. Wodurch sind Menschen für ihre Arbeit motiviert?
  3. Wie entstehen agile Teams?
  4. Welche gruppendynamischen Phänomene treten in der Zusammenarbeit auf?
  5. Welche Kommunikationsebenen greifen in Besprechungen ineinander?

 

1.     Konstruktive Mindsets und Haltungen reflektieren

„Ein Moderator ist dann am besten, wenn die Menschen kaum wissen, dass er existiert.
Nicht so gut, wenn die Menschen ihm gehorchen und zujubeln. Schlecht, wenn sie ihn verachten.
Gegenüber einem guten Moderator … werden sie sagen: ‚Wir haben es getan’.“

nach Laotse

Der Scrum Master oder agile Coach als Moderator verkörpert selbstverständlich die agilen Werte und ist damit ein prägendes Vorbild für die anderen Teammitglieder:

  • Offenheit: Mit Problemen transparent umgehen und Schwieriges ansprechen.
  • Respekt: Menschen und Sichtweisen wertschätzen; empathisch kommunizieren.
  • Mut: Über die Sache hinaus persönlichen Bedürfnisse und Konflikte ansprechen.
  • Selbstverpflichtung: Aus innerem Antrieb motiviert sein, sein Bestes zu geben.
  • Fokus: Gemeinsame Ziele werden priorisiert entsprechend der Wertschöpfung.

Darüber hinaus hat der Moderator folgendes Rollenverständnis verinnerlicht:

  • Ich bin ein „Servant Leader“: Ich helfe und befähige andere, ihre Ziele zu erreichen.
  • Ich bin „allparteiisch“: Ich unterstütze jede Partei, mit ihren persönlichen Anliegen von den anderen gehört und ernst genommen zu werden.
  • Ich fördere die „Teamarbeit“: Nicht die fachlichen Inhalte, sondern die Beziehungen und Prozesse, nicht die Symptome, sondern die Ursachen und persönlichen Einsichten (Insights) stehen im Vordergrund.
  • Ich sorge für eine transparente „Kommunikation“: Zuhören und Verstehen sind wichtiger als Bewertungen und Urteile. Narrative Aussagen im Sinn von „User Storys“ helfen uns weiter als abstrakte Diskussionen.
  • Ich organisiere den „Rahmen“: Die Moderation organisiert sozusagen den ‚Container‘, die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Team.

2.     Die intrinsische Motivation anregen

Eine gute Moderation glaubt an die jedem Meschen innewohnende Bewegungsenergie (lat.: movere = bewegen, motivieren). Drei Faktoren entscheiden über die Eigenmotivation der Mitarbeiter (siehe D.H. Pink 2009; „Drive“). Diese Faktoren spricht die Moderation im Gruppenaustausch immer wieder aktiv an:

  • Selbstbestimmung: Selbstbestimmte Menschen sind kreativ und handeln aus eigenem Antrieb. Die Moderation sorgt dafür, dass die Teammitglieder Entscheidungsbefugnisse bekommen und moderiert die Entscheidungsprozesse unter Beteiligung aller Betroffenen.
  • Gestaltungskompetenz: Menschen finden ihre Erfüllung, wenn sie mit ihren Fähigkeiten etwas gestalten können. Die Moderation fördert die individuellen Begabungen im Team und eröffnet Gestaltungsräume entsprechend der Stärken.
  • Sinn: Menschen reflektieren den Sinn ihres Tuns. Am Anfang jedes Meetings steht deswegen das „Why?“. Die Moderation lenkt den Blick der Teammitglieder immer wieder auf die Wertschöpfung und das gemeinsame Ziel.

3.     Die Teamentwicklung und Agilität fördern

Teams entwickeln sich während der gemeinsamen Arbeit. Jede Phase dieser Entwicklung beinhaltet spezifische Themen (vgl. B. Tuckman 1965). Die Moderation deckt diese Themen auf und unterstützt das Team in den notwendigen Klärungsprozessen.

  1. Forming: Die sozialen Beziehungen müssen erst aufgebaut werden, bevor eine Arbeitsfähigkeit aufgebaut ist und sich das Team der Sache widmen kann. Die Moderation unterstützt die noch unsicheren Teammitglieder darin, sich kenenzulernen und einen Platz in der Gruppe zu finden.
  2. Storming: Nach dem ersten Kennenlernen und während der ersten gemeinsamen Arbeit kommt es zu Revierkämpfen. Status und Rollen werden geklärt. Die Moderation als Mediator/in ermutigt und begleitet die Teammitglieder, Konflikte konstruktiv zu lösen.
  3. Norming: Nach den Abgrenzungen in der Konfliktphase muss nun ein gemeinsames Fundament geschaffen werden. Welche Spielregeln gelten für die gemeinsame Zusammenarbeit? Welche Glaubenssätze (Mindsets) halten wir für zielführend in der Sache und in unseren Beziehungen?
    Hier ist viel Spielraum, über agile Werte, Prinzipien und der Selbstorganisation von Teams zu sprechen.
  4. Performing: Die Teammitglieder sind motiviert, arbeitsfähig und selbstorganisiert. Die Moderation stärkt in Retrospektiven die Zusammenarbeit, indem sie Erfolge auf den drei Ebenen der Sache, der Beziehungen und der individuellen Bedürfnisse reflektiert.
  5. Ending: Das einzelne Projekt ist beendet. Die Moderation lädt zu einem „Lessons learned“ Treffen ein und ermöglicht es, den Erfolg zu feiern.

4.     Gruppendynamische Themen ansprechen

Vereinfacht ausgedrückt geht es beim Thema Gruppendynamik darum, die Beziehungen und die Beteiligung der Teammitglieder zu managen. Alle sollen die Möglichkeit haben, zu Wort zu kommen und mit dem Gesagten wertgeschätzt zu werden. Stilleren Teilnehmern soll der Einstieg erleichtert werden; dominaten ein Hinweis gegeben werden, neugierig auf die Sicht der anderen zu werden, etc.. Jedes soziale Gebilde wird unterschwellig von drei grundsätzlichen gruppendynamischen Themen bestimmt:

  • Zugehörigkeit: Wer ist drinnen – wer ist draußen?
  • Macht: Wer ist oben – wer ist unten? Führung und Einfluss
  • Sympathie: Wer ist nah – wer ist fern? Nähe und Distanz

Der Scrum Master oder agile Coach als Moderator wird diese im Verborgenen hoch wirksamen gruppendynamischen Themen im Blick haben. Kommt es zu unterschwelligen Spannungen und inkonstruktiver Kommunikation, wir die Moderation nach dem Motto „Störungen haben Vorrang“ die Themen ansprechen und die Klärung im respektvollen Umgang mit den unterschiedlichen Sichtweisen moderieren.

5.     Die Kommunikation während Besprechungen steuern

In einer Besprechung finden sich individuelle Personen zu einer Gruppe zusammen, um über ein Thema zu sprechen. Folglich gibt es drei Dimensionen – das ICH, die GRUPPE, das THEMA – die von der Moderation in einer „dynamischen Balance“ gehalten werden müssen (R. Cohn, Themenzentrierte Interaktion, TZI-Modell).

 

Der Scrum Master als Moderator hört auf der Metaebene ständig mit, in welcher Dimension ein Teammitglied sich gerade äußert. Mit seinen Interventionen sorgt er für eine angemessene = dynamische Balance und lenkt das Gespräch auf die Ebene, die im Moment einer Klärung bedarf:

  • Sachorientiert:
    – Verlieren wir unser Thema gerade aus den Augen?
    – Redet jemand nur über die Sache, obwohl wir einen Gruppenkonflikt haben?
  • Gruppenorientiert:
    – Kommt das gemeinsame Ziel gerade zu kurz? Haben wir einen gemeinsamen Nenner?
    – Versteckt sich jemand hinter der Gruppe? Vereinnahmt jemand die anderen?
  • Individuumorientiert:
    – Zeigt sich das Teammitglied mit seinen individuellen Bedürfnissen und Sichtweisen?
    – Stellt sich jemand auf Kosten der Gruppe und des Themas gerade in den Vordergrund?

Die Selbstorganisation von agilen Teams zu fördern ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Von den Scrum Mastern und agilen Coaches braucht es dazu eine fundierte Moderationskompetenz. Gerne unterstützen wir Sie mit unseren Moderations-Trainings in dieser Rolle.

Für die Gestaltung von Events finden Sie hier eine Checkliste als PDF zum download, die die Ebenen und Anforderungen der Moderation auf einen Blick zeigt. Viel Freude und Erkenntnisgewinn damit. Weitere Anregungen, Tipps und Tools zu Führung und agiler Zusammenarbeit finden Sie in unserer TOOLBOX.