Resilienz – die Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten – ist eine Forschungsfrage nicht nur im Blick auf einzelne Personen, sondern auch auf Unternehmen in ihrer Fähigkeit, auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren zu können. Auch wenn uns die aktuelle Corona-Krise schon fest im Griff hat, ist es dennoch hilfreich, jetzt und für die Zeit danach Merkmale krisensicherer Organisationen zu kennen.

Entsprechend des Forschungsstandes (Denyer/Weick/Sutcliffe) und unserer Erfahrungen bei campus O. Leadership Consulting möchte ich Ihnen dazu zwei Kernbotschaften kurz darstellen:

  • Fünf Grundkonzepte einer achtsamen, krisenfesten Infrastruktur und
  • der Umgang mit den Paradoxien einer krisenfesten Unternehmenskultur.

 

Merkmale einer krisenfesten Infrastruktur im Unternehmen

Krisen kündigen sich oft in kleinen, nebensächlichen Zeichen an, die aufgrund einer fehlenden Sensibilität der betrieblichen Abläufe entweder gar nicht wahrgenommen oder bagatellisiert werden. Wenn die Krise dann offensichtlich wird, führt die gleiche Infrastruktur zu falschen Interpretationen und Handlungsmustern, die als Brandbeschleuniger wirken. Eine krisenfeste Infrastruktur zeichnet sich durch folgende fünf Prinzipien aus:

1.     Sensibilität für die konkrete Situation und die betrieblichen Abläufe

Krisensichere Organisationen fokussieren ihre Wahrnehmung auf die Mitarbeiter an der Basis, die die an der Schnittstelle zur Umwelt arbeiten und praktische Arbeit im Kundenkontakt leisten. Sie handeln aufgrund von situationsbezogenen Rückmeldungen, die bottom up laufen. Die Mitarbeiter unten spüren die ersten Anzeichen und auch die Auswirkungen einer Krise unmittelbarer als das Management und halten das einbrechende Geschäft am Laufen.

Das Management in seiner Verantwortung für „das große Ganze“ neigt dazu – so die Forschungsergebnisse – die kleinen Anzeichen zu bagatellisieren oder mit abstrakten Interpretationen in die üblichen Denkschemata zu pressen und, wenn Reaktionen notwendig werden, erst mal Zuständigkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen zu klären. Wenn Mitarbeiter sich zudem von einer hierarchisch geprägten Führungskultur im Alltag nicht wertgeschätzt gefühlt haben, verschweigen sie in der Krise ihre Kenntnisse und das Unternehmen bekommt kein realistisches und umfassendes Bild, welche Dynamik die Krise entwickelt. Fehlerhafte Entscheidungen und unangemessene Handlungen sind die Folge.

2.     Respekt vor dem Wissen der Fachexperten

Komplexe Herausforderungen brauchen komplexe soziale Systeme zu ihrer Bewältigung. Der „Managementkreis“ ist häufig entweder eine homogen denkende oder eine in Ab-teilungen gespaltene Gruppe. Beides wird in der Krise aus naheliegenden Gründen gefährlich. Fachexperten blicken zunächst aus unterschiedlichen Perspektiven auf Fakten und entwickeln dadurch erst mal ein sachbezogenes Verständnis der Krise, bevor sie Lösungen vorschlagen.

In Krisen greifen wir reflexartig auf biografisch verankerte Erwartungs- und Lösungsmuster zurück. Krise ist aber das Unerwartete, für das die alten Muster nicht passen. Fachexperten greifen nicht auf diese alten Muster zurück, sondern erzeugen aktuelle Daten, aus denen sie dann Lösungen entwickeln. Das Management krisenfester Unternehmen hört auf die Fachexperten, schiebt die Entscheidungsfindung nach unten und verabschiedet sich von einer hierarchischen Führungs- und Entscheidungskultur. ‚Agile Leadership‘ ist auch in der Krise angesagt.

3.     Aus Fehlern lernen

Klassische Organisationen wollen Fehler ausmerzen. Krisenfeste Organisationen begrüßen Fehler, um daraus zu lernen. Dabei geht es weniger um die Fehlersuche bezogen auf das Produkt oder die Dienstleistung. Jeder Fehler kann auch als Möglichkeit gesehen werden, Schwachstellen des Systems, der Prozesse, der Organisation aufzuspüren. Krisenfeste Organisationen ermutigen ihre Mitarbeiter, Fehler im System sofort zu melden, statt Schuldige zu suchen.

4.     Der Vereinfachung widerstehen

Es ist eine zentrale Managementaufgabe, den Nordstern zu definieren, damit Orientierung entsteht und Aktivitäten zusammengeführt werden. Komplexität muss dazu reduziert werden. Diese Komplexitätsreduktion ermöglicht und verführt in Krisen zu schnellen, trivialen Lösungen – die aber falsch sind!

Krisensichere Organisationen sind durch Events gekennzeichnet, in denen die Komplexität wieder bewusst erhöht wird. Sie fördern die Meinungsvielfalt und schätzen eigensinnige, querdenkerische Mitarbeiter, die ‚out of the box‘ denken. Deswegen können sie Krisen früher wahrnehmen und sind in ihren Lösungen besser aufgestellt.

5.     Streben nach Flexibiltät

Krisensichere Unternehmen leben in einem Zustand der dynamischen Stabilität. Sie kennen ihre Kernkompetenzen, haben definierte Prozesse und Zuständigkeiten – ohne daran festzuhalten. Trotz vorausschauendem Handeln glauben sie nicht, die Zukunft vorausschauen zu können. Trotz bewährter Lösungen schätzen sie die Improvisation und das Experiment.

Dies erfordert eine Unternehmenskultur, die mit Paradoxien leben kann und iterative Abläufe kennt. Dazu im nächsten Abschnitt.

 

Die Paradoxien eines krisensicheren Unternehmens

Unternehmen bewegen sich –ähnlich wie Menschen (Invidualität vs. Gemeinschaft; Ordnung vs. Wandel) – in einem durch Antinomien geprägten Umfeld:

  • Sie müssen einerseits zuverlässig und beständig sein, andererseits aber auch flexibel und wandlungsfähig.
  • Sie müssen ihre Produkte, Dienstleistungen und Ergebnisse im Markt verteidigen können und andererseits progressiv nach vorne gerichtet ständig Neues erfinden.

Diese Spannungen lassen sich in einem Kreuz darstellen („Tension Quadrat“), aus dem sich vier Handlungsempfehlungen für krisenfeste Unternehmen ableiten lassen:

Resiliente Organisationen zeichnen sich durch ein paradoxes Denken aus, das eine dynamische Balance zwischen den vier Handlungsoptionen präventiver Kontrolleachtsamer Aktivitätverbessern der Leistungen und anpassungsfähiger Innovationherstellt.

Präventive Kontrolle:
Soll-Ist Diskrepanzen werden schnell aufgespürt, mit effektiven Routineverfahren gelöst und anschließend das System und die Abläufe neu kalibriert.

Achtsame Aktivitäten:
Krisenfeste Organisationen prüfen ständig ihr Umfeld, haben eine schnelle Wahrnehmung für Veränderungen, gehen achtsam mit den Rückmeldungen von Mitarbeitern und Kunden um und reagieren darauf flexibel.

Leistungen optimieren:
Kontinuierliche Verbesserungsprozesse sind im Unternehmen implantiert, erhöhen die Effektivität und drücken die Kosten. Parallel dazu werden Mitarbeiter zielorientiert geführt und ermutigt, Neues zu wagen.

Angepasste Innovation:
Eine produktive Spannung stört die eingespielten Routinen. Gemeinsames, strategissches Handeln entsteht aus kooperativ geführten Verhandlungen, in denen der ‚Kern‘ geschützt und alles andere flexibel angepasst wird.

Wir von campus O. unterstützen Sie darin, Ihr Unternehmen krisensicherer aufzustellen. In unserer TOOLBOX finden Sie für eine erste Diagnose der Krisensicherheit ihres Unternehmens als PDF zum Download.

  • Fünf Grundkonzepte einer achtsamen, krisenfesten Infrastruktur
  • Umgang mit den Paradoxien einer krisenfesten Unternehmenskultur