Orientierung ist nicht nur ein menschliches Grundbedürfnis. Jedes Unternehmen braucht eine gemeinsame Ausrichtung. Peter Drucker formulierte 1954 dazu für Unternehmen das „Management by Objectives“ (MbO). In einer Zielkaskade werden top down zuerst die grundsätzlichen Unternehmensziele definiert und anschließend Ziele für jede Organisationsenheit und jeden Mitarbeiter bestimmt. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass Widersprüche zwischen oben und unten ausgeräumt werden, und – positiv formuliert – das Management und die Mitarbeiter an gemeinsamen, aufeinander bezogene Inhalte arbeiten.

Schon bald wurde die Kontrolle der Zielerreichung mit Aspekten der Personalführung und der Mitarbeiterbeurteilung verbunden. In „Mitarbeiter-Jahresgesprächen“ werden ein Mal im Jahr die letztjährige Zielerreichung geprüft, neue Ziele vereinbart, das Arbeitsverhalten des Mitarbeiters beurteilt, daran ein variables Entgelt gekoppelt und schließlich über Personalentwicklungsmöglichkeiten entschieden.

Moderne dynamische, sich selbst organisierende Unternehmen der „VUCA-Welt“ (volatil-uncertain-complex-ambiguous) und das MbO mit seinem jährlichen Zyklus und den tendenziell hierarchischen Beurteilungsaspekten passen nicht wirklich zusammen. Objectives & Key Results (OKR) heißt das neue Zauberwort. Dabei versteht sich OKR nicht als fixe Methode, sondern als ein Framework, das individuell an die Unternehmenskultur anzupassen ist. OKR sei hier kurz vorgestellt, indem die Unterschiede zum MbO benannt werden

  • OKR kennt wesentlich kürzere Zyklen der Zielvereinbarung zwischen 6 Wochen bis 3 Monate.
  • OKR grenzt sich von harten, wiederkehrenden KPI’s ab und kennt deswegen nur qualitative Zielzustände.
  • Deswegen fördert OKR mehr die strategische Orientierung als die Listung von operativen Aufgaben.
  • Alle OKR-Ziele sind für jeden transparent, während die Mitarbeiterziele im MbO der Vertraulichkeit unterliegen.
  • OKR-Ziele werden innovativer, d.h. mit einem größeren Risiko des Scheiterns formuliert, was beim MbO auch personalwirtschaftlich deutliche Konsequenzen hätte.
  • OKR-Ziele werden auf Teamebene entwickelt und nicht aus den übergeordneten, hierarchischen Zielen im 4-Augengespräch abgeleitet.
  • Die Motivation zur Zielerreichung kommt im OKR stark aus der intrinsischen Motivation und der Teamdynamik und nicht aus dem finanziellen Anreiz.
  • Neben der Abstimmung zwischen oben und unten steht die Selbstorganisation im Team im Vordergrund.

Wandel der Führungskultur

Das klassische MbO ist eine hierarchische Managementmethode. Ziele werden top down vorgegeben und die Mitarbeiter vom Vorgesetzten beurteilt.

Nicht unterschlagen werden darf (von den ideologischen Verfechtern des OKR), dass das MbO sich die letzten 20 Jahre wesentlich weiterentwickelt hat. Aus den Zielvorgaben sind Zielvereinbarungsgespräche zwischen Fachexperten und Führungskräften auf Augenhöhe geworden. Die harte Beurteilung (Schwächen ausmerzen) wird abgelöst durch Fördergespräche mit den Schwerpunkten Personal- und Potenzialentwicklung (Stärken stärken).

Die Rolle der Führungskraft im OKR verändert sich dennoch grundlegend, weil sie nicht auf disziplinarische Befugnisse zurückgreift. Die Führungskraft versteht sich tendenziell als Moderator und Sinnstifter. Klassische Vorgesetztenfunktionen sind an das sich selbstorganisierende Team abgegeben. Ziele werden über User Stories im Team erarbeitet und die Zielerreichung in einer Retrospektive gemeinsam besprochen.

Ist OKR das neue MbO?

In vielen Aspekten passt OKR besser in dynamische Umwelten und in die neuen, sich selbstorganisierenden Unternehmenkulturen. Dennoch gibt es Themen, in denen das „klassische OKR“ vom „modernen MbO“ lernen kann:

OKR ist aus der SCRUM-Methode zur Softwareentwicklung entstanden. Seine Nähe zum Projektmanagement ist bis heute spürbar. MbO ist ein Führungsinstrument und Führen ist ein sozialer Prozess. Die neueren Ansätze des MbO haben es geschafft, die sachbezogenen Unternehmensziele mit der Mitarbeiterführung zu verbinden. Für das OKR muss erst noch gefunden werden, wie eine systematische Personalentwicklung und die fachliche Qualifizierung der Mitarbeiter integriert werden können. Und in Zeiten des Fachexpertenmangels wächst auf die Unternehmen der Druck, sich an die Bedürfnisse des gesuchten Fachexperten anzupassen. Persönliche Bedürfnisse und Ziele der Mitarbeiter haben im OKR aktuell keinen definierten Platz. In der Wissensgesellschaft ist das Wissen, die Weiterqualifizierung und die persönliche Motivation der Mitarbeiter vielleicht der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Diese Aspekte sind im OKR bislang noch zu wenig repräsentiert.

In der Campus-O. Organisationsberatung versuchen wir, bei der Einführung von OKR ins Unternehmen maßgeschneiderte Lösungen zu definieren, in denen das OKR-Framework um Aspekte der Führung und Personalentwicklung ergänzt wird.